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Von der Beerdigung zur Anwaltskanzlei

18. Okt 2018

Wer erbt, der gewinnt nicht zwangsläufig. Geld führt nicht selten dazu, dass sich familiäre Beziehungen, die zuvor als unzertrennbar galten, in einer Anwaltskanzlei förmlich in Wind auflösen. Wie kann man das verhindern? Erbrechtexpertin Melanie Jauch von der Muri Rechtsanwälte AG in Weinfelden gibt Auskunft.

Interview: Marcel Baumgartner

Fragen an Melanie Jauch:

Streitereien ums Erbe hat schon ganze Familien zerrüttet. Was sind Ihre Erfahrungen, geht es in erster Linie meistens wirklich ums Geld oder eher um Missgunst bzw. das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden?
Erbschaften sind oft mit Emotionen verbunden. Wenn es Streit gibt, dann häufig weil sich jemand ungerecht behandelt fühlt. Aber natürlich spielt hier auch immer Geld eine Rolle, weil z. B. ein Nachkomme zu Lebzeiten bereits mehr erhalten hat, als der andere oder der eine Erbe sich zu Lebzeiten um den kranken Erblasser gekümmert hat und dies im Testament nicht entsprechend gewürdigt wird. Die bis anhin besten Familienverhältnisse können im Falle des Ablebens eines Familienmitglieds zerrüttet werden.

Kann man sich bei der Vertretung einer Partei auf klare rechtliche Grundlagen stützen oder geht es teilweise auch im Softfaktoren?
Rechtliche Grundlagen bilden das Gesetz und die Anordnungen des Erblassers. Vielfach präsentieren sich die Fälle in der Praxis aber nicht schwarz oder weiss. Oftmals spielen Beweisrisiken z. B. bei erhaltenen Zuwendungen zu Lebzeiten eine Rolle. Auch gibt es häufig Bewertungs- oder Auslegungsfragen.

Wer Streitigkeiten – zumindest teilweise – abwenden möchte, sollte wohl in erster Linie ein felsenfestes Testament in der Schublade liegen haben. Welche gravierenden Fehler werden hierbei noch immer gemacht?
Wird ein Testament oder Erbvertrag ohne fachliche Unterstützung abgefasst, besteht die Gefahr, dass der Wortlaut oder der Erblasserwille nicht eindeutig und klar sind oder es werden dabei Pflichtteile nicht beachtet. Ebenso kann es vorkommen, dass einzelne Verfügungen einander widersprechen oder formelle Fehler gemacht werden. Manchmal gelangt ein Testament sodann nicht zur Eröffnung, weil es nicht gefunden wird. Darum ist ein sicherer Aufbewahrungsort wichtig. Aus diesen Gründen ist jedem zu empfehlen, seinen Nachlass frühzeitig zu planen und sorgfältig zu regeln. Dies führt erfahrungsgemäss bei den Personen zu einer Erleichterung und zur späteren Vermeidung von unnötigen Diskussionen und Streitereien unter den Hinterbliebenen. Je nach Ausgestaltung der Vermögens- und Familienverhältnisse ist die Einsetzung eines Willensvollstreckers ratsam, welcher dafür sorgt, dass die Erbschaft im Sinne des Erblassers geteilt wird und bei Streitigkeiten kompromissfähige Lösungen unter den Erben erarbeitet.

Eine aktuelle Geschichte aus den Boulevardmedien um einen verstorbenen Bauunternehmer zeigt: Selbst ein Testament kann keine Brandherde verhindern. Man kann es anfechten. Welche Argumente werden hierbei jeweils gerne eingeworfen?
Zu nennen sind etwa die Geltendmachung von verschiedenen schwerwiegenden Mängeln, wie etwa ein Willensmangel oder die fehlende Verfügungsfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Abfassens des Testaments oder aber ein Formmangel, z. B. wenn das Testament nicht selbst von Hand niedergeschrieben wurde. Häufig wird sodann geltend gemacht, dass ein Testament Pflichteile verletzt. Durch eine gute Beratung oder Vorabprüfung des Testaments können aber oftmals die genannten Fehler vermieden werden.

Es gibt den Spruch, der besagt, dass bei einem Erbstreit letztlich vor allem die Anwälte als Gewinner hervorgehen. Haben Sie einer Partei auch schon einmal von einem besonders harten Vorgehen abgeraten?
Zu einer sorgfältigen Mandatsausübung gehört auch, unsere Klienten über die möglichen Prozessrisiken aufzuklären. Sehen wir – unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände – die Chancen in einem Prozess zu obsiegen als gering an, raten wir unseren Klienten von einem Prozess ab. Gerade gerichtliche Verfahren können langwierig und entsprechend kostenintensiv sein, dies geben wir bei eher geringen Erfolgschancen auch immer zu bedenken. Mit gutem Verhandlungsgeschick kommt man in einem solchen Fall dann eher und günstiger zum Ziel. Die Entscheidung obliegt aber am Ende dem Klienten.

Nun haben wir vor allem über gravierende Fälle gesprochen. Ihre Tätigkeit dürfte aber wohl in erster Linie «Alltagsgeschäft» sein, oder?
Das spannende am Erbrecht ist, dass sich jede Familienkonstellation – alleinstehende Person, Ehepaar mit/ohne Nachkommen, Patchwork-Familien etc. – und vermögensrechtliche Ausgangslage mit z. B. Liegenschaften, Familienunternehmen etc. wieder anders präsentieren und es somit keinen sogenannter «Standardfall» gibt. Zudem sind die Wünsche bzw. Bedürfnisse der Klienten in Bezug auf eine Vorsorge- und Nachlassplanung immer unterschiedlich und müssen individuell betreut bzw. beurteilt werden.

Kontakt

Melanie Jauch, Rechtsanwältin
Muri Rechtsanwälte AG 

Sangenstrasse 3
8570 Weinfelden
+41 (0) 71 622 00 22
mlnjchmr-nwltch
www.muri-anwaelte.ch

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