23. Jul 2025
Der Start in ein neues Lehrjahr steht kurz bevor. Worauf müssen Unternehmen beim Eingehen eines Lehrverhältnisses achten und wie gestalten sie dieses rechtssicher?
Der Lehrvertrag stellt ein Sonderkonstrukt zum normalen Arbeitsvertrag dar, bei dem es einige Besonderheiten zu beachten gilt. So sind im Obligationenrecht bestimmte Vorschriften zwingend einzuhalten, wie beispielsweise der schriftliche Abschluss des Lehrvertrages. Ebenso muss dieser vor Beginn der Lehre beim kantonalen Berufsbildungsamt eingereicht und von diesem genehmigt werden. Die zwingenden wesentlichen Vertragsinhalte wie Art und Dauer der Ausbildung, Lohn, Probezeit, Arbeitszeit und Ferien sind meist in Formularverträgen bereits enthalten, können aber auch individualisiert werden. Die Formularverträge sind nicht zwingend, vereinfachen und vereinheitlichen den Prozess aber stark.
Trotz vieler gesetzlicher Vorgaben besteht für KMU auch die Möglichkeit spezielle und eigene Regelungen zu treffen.
Probezeit: Sie beträgt in der Regel zwischen einem bis drei Monate (eine Verlängerung auf bis zu sechs Monate ist mit Zustimmung der kantonalen Behörde aber möglich). Ist nichts zur Probezeit im Vertrag enthalten, so gelten drei Monate Probezeit als vereinbart. Innerhalb dieser Zeit können Betrieb und Lernende den Lehrvertrag mit einer Frist von sieben Tagen kündigen.
Arbeitszeit: Die wöchentliche Arbeitszeit ist im Vertrag festzulegen. Gesetzlich gilt grundsätzlich max. 45 Stunden pro Woche (in bestimmten Branchen bis 50 Stunden). Für Jugendliche unter 18 Jahren gelten strengere Regeln (höchstens neun Stunden pro Tag, mind. 12 Stunden Ruhepause). Arbeitgebende müssen zwingend die Jugendschutzvorschriften beachten und die Arbeitszeiten erfassen. In einem sehr beschränkten Rahmen ist auch Nacht- und Sonntagsarbeit für Jugendliche ab 16 Jahren möglich (vgl. Art. 12 bis 15 ArGV 5).
Lohn: Der Lehrlingslohn wird vertraglich vereinbart und orientiert sich meist an Empfehlungen der Branchenorganisation oder einem allfälligen GAV. Einen gesetzlichen Mindestlohn gibt es nicht, wobei es kantonal zwingende Bestimmungen (z.B. der Kanton Tessin) geben kann; GAV-Vorgaben für Lernende sind verbindlich. Davon abgesehen kann der Lohn aber weitestgehend frei vereinbart werden.
Ferien: Lernende haben Anspruch auf mindestens fünf Wochen Ferien pro Jahr, bis zum vollendeten 20. Altersjahr (danach vier Wochen). Dieses Minimum darf nicht unterschritten werden. Ferien dienen der Erholung und dürfen nicht ausbezahlt werden.
Unzureichende oder mangelhafte Ausbildung und Betreuung oder auch mangelnde Arbeitsleistung und Bereitschaft der Lernenden führen oft zu Konflikten: Ist die Ausbildung qualitativ unzureichend oder Zielvorgaben werden nicht erreicht, kann dies ein Grund für eine vorzeitige Vertragsauflösung sein. Auch das kantonale Amt kann eingreifen, wenn die Qualität der Ausbildung gravierende Mängel aufweist.
Unzulässige Kündigung: Nach Ablauf der Probezeit dürfen weder Betrieb noch Lernende den Vertrag ohne «wichtigen Grund» einseitig kündigen. Bei einer ungerechtfertigten Kündigung kann die andere Partei Schadenersatz verlangen. Damit eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann, kann eine vorgängige Anhörung der Lernenden (inkl. gesetzlichem Vertreter) zwingend sein. Die zuständige kantonale Behörde ist ebenfalls sofort zu benachrichtigen. KMU sollten daher Kündigungen gut vorbereiten und dokumentieren. Ansonsten kann der Lehrvertrag nur im gegenseitigen Einverständnis aufgehoben werden.
Unzulässige Vertragsabreden: Abreden, die Lernende im freien Entschluss über die berufliche Tätigkeit nach beendeter Lehre beeinträchtigen, sind nichtig. Dies gilt z.B. bei Konkurrenzverboten mit Konventionalstrafe oder auch Einschränkungen/Verbote, die Berufsschule zu besuchen.
Vertragsänderungen: Jede wesentliche Änderung des Lehrvertrags (z.B. Berufswechsel, Verlängerung oder Verkürzung der Lehre) muss von der kantonalen Behörde genehmigt werden. Unklare Abmachungen oder mündliche Zusagen bergen Konfliktpotenzial. Wichtig ist bei Minderjährigen immer auch daran zu denken, dass u.U. auch eine gesetzlich vertretungsberechtigte Person den Vertrag mitunterzeichnet, da Jugendliche nur beschränkt geschäftsfähig sind.
Dokumentation und Fürsorge: Fehlende oder mangelhafte Dokumentation erschwert im Streitfall die Rechtsdurchsetzung. Verstösse gegen Jugendschutzvorschriften oder gefährliche Einsätze können rechtliche Folgen haben. Ebenso ist der Einsatz für fachfremde Arbeiten und Akkordlöhne unzulässig, sofern diese die Bildung beeinträchtigen oder nicht mit dem zu erlernenden Beruf in Zusammenhang stehen.
Konfliktlösung: Im Streitfall sollte der Betrieb die zuständige kantonale Behörde informieren. Diese kann vermitteln und einen Lehrstellenwechsel prüfen. Die Unterstützung durch Berufsverbände oder kantonale Ausbildungsberater kann KMUs helfen, Konflikte früh zu klären.
Der Lehrvertrag ist weit mehr als ein formaler Einstieg in die Berufswelt: Er ist ein verbindlicher, rechtlich geregelter Rahmen, der Rechte und Pflichten beider Seiten klar definiert. Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung, klare Kommunikation und ein bewusster Umgang mit rechtlichen Vorgaben helfen, Konflikte zu vermeiden und die Ausbildung erfolgreich zu gestalten. Bei Unsicherheiten lohnt sich frühzeitige Beratung durch Berufsverbände, kantonale Ämter oder juristische Fachpersonen.
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