30. Sep 2025
Wenn auch nur kleine Produkte Ungenauigkeiten oder mangelhafte Qualität aufweisen, kann es dazu kommen, dass grosse Schäden mit entsprechender Kostenfolge drohen. Die Frage in der Praxis ist dann oftmals: Wer haftet? Der folgende Artikel soll einen kleinen Einblick in die Fragestellung rund um die Produkthaftung geben.
Es besteht eine gesetzliche Haftungsverpflichtung nach dem Produktehaftpflichtgesetz (= PrHG) der herstellenden Person (= im Gesetz: «Herstellerin» genannt) für Schäden, die ein fehlerhaftes Produkt an Menschen oder anderen Sachen verursacht. Die Herstellerin haftet aber nicht nach dem PrHG für Schäden am Produkt selbst. Solche Mängel am Produkt werden gemäss dem Obligationenrecht (= OR) abgewickelt, worauf im Folgenden aber nicht näher eingegangen wird.
Jede juristische oder natürliche Person, die ein Produkt zum Zweck des Vertriebs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit in die Schweiz einführt, gilt als Herstellerin. Erfasst sind Herstellerinnen des Endprodukts, eines Teilprodukts oder eines Grundstoffes sowie jegliche Personen, die sich als Herstellerinnen ausgeben, indem sie auf dem Produkt ihre Marke oder ihr Logo anbringen (sogenannte Quasi-Herstellerinnen). Der Herstellerin gleichgestellt wird auch der Importeur. Sogar der Lieferant kann sich haftbar machen, sofern der Konsument die Herstellerin des fehlerhaften Produktes nicht feststellen kann und ihm der Lieferant nicht innert Frist die tatsächliche Herstellerin, seinen Vorlieferanten oder den Importeur nennt. Der Lieferantenbegriff erfasst alle Formen des kommerziellen Absatzes, so auch etwa den Handwerker oder den Verkäufer. Mit dieser Regelung garantiert das PrHG dem Geschädigten eine lückenlose Haftungskette. Für Unternehmen empfiehlt sich eine saubere Dokumentation der beteiligten Herstellerinnen und Lieferanten im Sinne einer besseren Rückverfolgbarkeit.
Der Produktebegriff umfasst jede bewegliche Sache, die von Menschen hergestellt und als Produkt in Verkehr gebracht wird. Zu denken ist an Konsumgüter aller Art, aber auch an technische Anlagen, Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und sogar Software. Daneben sind auch aus der Natur gewonnene Grundstoffe wie Mineralien, Sand, Kies oder Holz vom Produktebegriff erfasst. Unbewegliche Sachen, wie etwa Grundstücke, Strassen oder Gebäude sind keine Produkte im Sinne des PrHG. Beachtenswert ist dabei, dass die Produkteigenschaft einer beweglichen Sache (z.B. Beton) erhalten bleibt, selbst wenn sie in eine unbewegliche Sache (z.B. ein Gebäude) eingebaut und damit Teil dieser wird.
Der Fehlerbegriff orientiert sich an der Sicherheit eines Produktes. Ein Produkt ist gemäss PrHG fehlerhaft, wenn es zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht die Sicherheitserwartungen erfüllt, die die Allgemeinheit bei Anwendung eines objektiven Massstabes erwarten darf. Keine Haftung besteht für sogenannte Entwicklungsrisiken: Kann die Herstellerin nachweisen, dass die schädlichen Eigenschaften des Produktes im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht vorhanden, oder aber nach Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar waren, ist sie von der Haftung befreit. Auch Schweizer Unternehmen müssen die internationalen Sicherheitsstandards berücksichtigen und können nicht geltend machen, die Ausnützung sämtlicher weltweit vorhandener Prüf- und Kontrollmöglichkeiten sei finanziell oder aus anderen Gründen nicht tragbar. Jede Herstellerin hat das Gefahrenpotenzial zu beherrschen.
Die Haftung der Herstellerin gemäss PrHG beschränkt sich auf Schäden an Leib und Leben sowie auf bestimmte Sachschäden, welche durch das fehlerhafte Produkt verursacht worden sind. Für Sachschäden hat die Herstellerin jedoch nur einzustehen, wenn die beschädigte Sache für den privaten Gebrauch bestimmt und vom Geschädigten zu diesem Zweck verwendet worden ist. Überdies hat der Geschädigte bei Sachschäden einen Selbstbehalt von aktuell CHF 900.00 zu tragen. Keine Haftungsgrundlage bietet das PrHG für reine Vermögensschäden.
Im Aussenverhältnis haften mehrere Herstellerinnen solidarisch, d.h. Geschädigte können wählen, wen sie für ihren gesamten Anspruch belangen wollen. Die Haftung nach PrHG darf gegenüber den Geschädigten nicht im Voraus wegbedungen oder auf bestimmte Maximalbeträge beschränkt werden. Entsprechende Vereinbarungen sind per Gesetz nichtig.
Eine vertragliche oder ausservertragliche Haftung nach OR darf im Rahmen der gesetzlichen Schranken wegbedungen werden. Sodann sind Haftungsbeschränkungen in jenen Bereichen möglich, die nicht vom PrHG erfasst werden. So können Unternehmen ihre Haftung für Schäden an gewerblich genutzten Sachen einschränken. Ebenfalls zulässig sind Vereinbarungen über die Ausgestaltung des Regresses im Innenverhältnis zwischen den verschiedenen Herstellerinnen, insbesondere zwischen Teil- und Endherstellerin sowie zwischen Herstellerin und Importeur.
Im Nachgang zum Schadenseintritt sind Vereinbarungen über seine Tilgung unbeschränkt zulässig. Auch Vergleiche zwischen den Parteien über Art und Umfang des Ersatzes sind nach Schadenseintritt erlaubt und oftmals die schnellste und kostengünstigste Lösung, um Streitigkeiten zu erledigen, da bei gerichtlichen Auseinandersetzungen oftmals teure Gutachten benötigt werden. Bevor solche aber zu früh abgeschlossen werden, empfiehlt es sich, sachkundigen Rat einzuholen.
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