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"Grenzüberschreitende Fälle sind oftmals kompliziert": EIne Weinfelder Anwältin über die mutmassliche Wega-Abzocke

15. Jan 2025

Zwei Personen aus dem Bezirk Weinfelden haben Dienstleistungen eines deutschen Unternehmens in Anspruch genommen, das sie an der Wega kennengelernt haben. Nach erledigter Arbeit sind sie unzufrieden, die Unternehmer aber abgetaucht. Die Weinfelder Anwältin Kathrin Moosmann schätzt die Situation ein.

Interview: Janine Bollhalder

An der vergangenen Wega 2024 in Weinfelden hat ein deutsches Unternehmen Stein-, Dach- und Fassadenreinigungen sowie Bauten- und Holzschutz angeboten. Mindestens zwei Personen aus dem Bezirk Weinfelden haben die Dienstleistung angenommen. Das Resultat fiel für beide negativ aus, sie sprechen von unsauberer Arbeit, Diebstahl und Wucherpreisen.

Kathrin Moosmann von der Muri Partner Rechtsanwälte AG hat sich mit der Geschichte befasst. Sie erklärt, wie die rechtliche Lage aussieht und was die Betroffenen machen können.

Darf ein deutsches Unternehmen Aufträge wie etwa Hofplatz-Reinigungen in der Schweiz erledigen?

Kathrin Moosmann: Durch das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU darf das Unternehmen Dienstleistungen hierzulande anbieten. Wenn die Leistungserbringung länger als 90 Tage dauert, ist eine Kurzaufenthaltsbewilligung erforderlich. Aber auch bei kürzerer Dauer ist eine Anmeldung beim Staatssekretariat für Migration (SEM) erforderlich. Das ist insbesondere für das Bauhauptgewerbe sowie den Garten- und Landschaftsbau der Fall, bereits ab dem ersten Einsatztag müssen sie eine Meldung beim SEM machen. Ob diese Meldepflicht von dem deutschen Unternehmen eingehalten wurde, ist nicht bekannt,

Liegt aufgrund der Geschehnisse bei den betroffenen Personen eine Straftat vor?

Es könnte sich hierbei die Straftatbestände des Betrugs, als auch des Wuchers handeln. Im Falle des gestohlenen Akkubohrers käme noch ein Diebstahl hinzu. Aber das müsste die Staatsanwaltschaft genauer abklären. Bei Verstössen gegen die Meldepflicht können auch Bussen bis zu 5'000 Franken verhängt werden.

Wie können sich die Betroffenen wehren?

Rechtlich ist das Vorgehen bei grenzüberschreitenden Fällen leider oftmals kompliziert, da zunächst einmal das anwendbare Recht sowie das örtlich zuständige Gericht ermittelt werden muss. Davon ausgehen, dass im konkreten Fall das Schweizer Recht zur Anwendung kommt, sollte ein erster Schritt sein, die Firma schriftlich mittels eines eingeschriebenen Briefes anzumahnen, eine Frist anzusetzen und zu verlangen, die Arbeiten sauber und vereinbarungsgemäss nachzubessern. Geschieht nichts oder weigert sich die Firma, können die Betroffenen geltend machen, dass die erbrachte Arbeit weniger Wert ist und den zu viel bezahlten Betrag zurückfordern.

Die Betroffenen haben nur handschriftliche Quittungen bekommen. Ist das zulässig?

Ja, denn für Rechnungen gibt es in der Schweiz keine strengen Formvorschriften. Nur sofern die Firma mehrwertsteuerpflichtig ist, müssen auf der Rechnung mehr Informationen zu finden sein, etwa die Mehrwertsteuernummer. Aber auch dann darf eine Rechnung handschriftlich ausgestellt werden. Die deutsche Firma untersteht hierzulande der Mehrwertsteuerpflicht, wenn sie weltweit einen Umsatz von über 100'000 Franken erbringt.

Dieser Beitrag erschien bei der Thurgauer Zeitung am 08.01.2025.

Kathrin Moosmann

Kontakt

Kathrin Moosmann
Rechtsanwältin, CAS Datenschutz
Muri Partner Rechtsanwälte AG

Sangenstrasse 3
8570 Weinfelden
+41 (0) 71 622 00 22
Kathrin.Moosmann@muri-anwaelte.ch 
www.muri-anwaelte.ch

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